Dreschflegel Bio-Saatgut
Zwischen Saatguttütchen, Postkisten und Computerbildschirmen (Autorinnen: Anja Banzhaf und Andrea Emde)
Haben Sie sich schon mal gefragt, welche Logistik hinter Ihrer Saatgutlieferung steht? Schauen Sie hinter die Dreschflegel-Kulissen:
Ein starkes Team
In unserem Versand versenden wir natürlich Samentütchen! Bis wir diese jedoch in einen Umschlag gesteckt und weggeschickt haben, ist mit dem Saatgut schon ganz schön viel passiert. Auf den Äckern unserer achtzehn Höfe vermehrt, in den Saatgutwerkstätten gereinigt und auf Keimfähigkeit getestet, in den jeweiligen Betrieben und bei Quirin Wember abgetütet, kommt es letztendlich bei uns im Versand an und wird im Lager verstaut. Dort wuseln wir zwischen Saatgutregalen herum, füllen Postkisten und jonglieren mit Verpackungsmaterialien.
Doch in unserem Versand, da versenden wir nicht nur. Wir, das ist einerseits das neunköpfige Orga-Team, welches eng mit den Dreschflegel-Höfen zusammenarbeitet und hierbei alles verantwortet, was mit dem Versenden im weitesten Sinne zu tun hat: Wir erstellen Rechnungen, Lieferscheine und Vorauskassen, beschäftigen uns mit Lohnbuchhaltung, Artikelverwaltung sowie Personalfragen und lösen gemeinsam Probleme - alles selbstbestimmt und ohne Chef*in!
Weitreichendere Entscheidungen oder solche außerhalb unserer klar abgesteckten Arbeitsfelder treffen wir im Orga-Team gemeinsam im Konsens. Hierzu kommen wir einmal in der Woche für eine ausführliche Besprechung zusammen. Wir haben also viele Freiheiten und ebenso viel Verantwortung, können uns gegenseitig viel Unterstützung geben und den Herausforderungen gemeinsam die Stirn bieten.
Andererseits gehören zum "Wir" das sogenannte Pack-Team und weitere Menschen, die in Kommissionierung und Versand, Auftragsbearbeitung, Reinigung, Tütendruck und Rechnungswesen tätig sind.
Während es in der Sommerzeit ruhiger ist und vier bis fünf Menschen aus unserem Pack-Team an zwei Tagen in der Woche Saatguttütchen aus den Regalen sammeln und verschicken, sind es in der Hochsaison um die 35, die diese Aufgabe während fünf bis sechs Tagen die Woche in Schichtarbeit erledigen. Unsere Tätigkeiten hier im Versand wechseln also stark, ganz im Rhythmus der Jahreszeiten...
Dezember bis März: Es geht die Post ab
Mit unseren Saaten & Taten, die wir ins In- und Ausland verschicken, läuten wir jährlich im Dezember die neue Saison ein. Wir pflegen neue Artikel in unseren Shop ein, stellen diesen wieder online und räumen das Saatgut in unser Lager, das die Dreschflegel-Betriebe jetzt frisch zu uns liefern.
Im Januar startet die Hauptsaison im Samenversand. Täglich erreichen uns hunderte Bestellungen - hauptsächlich über den Onlineshop, aber auch per Brief, Fax oder Mail. Alle Bestellungen, die nicht über den Onlineshop eingehen, werden in der Auftragsbearbeitung abgetippt, also digitalisiert und in unser Warenwirtschaftsprogramm eingepflegt. In dieser Zeit geht im wahrsten Sinne des Wortes die Post ab: Das Pack-Team stellt die Bestellungen in unserem Lager zusammen und verpackt diese, und jeden Nachmittag kommt ein Post-LKW vorbei und holt kistenweise Briefe und Päckchen ab.
April bis August: Nebensaison und ihre Aufgaben
Ab Mitte April wird die Auftragslage deutlich ruhiger. Dafür häufen sich die Anrufe im Versand mit Fragen nach allgemeinen oder spezifischen Gartentipps. Um uns zu entlasten, ist an unserem Gartentelefon von Januar bis Oktober mittwochs von 16 bis 18 Uhr eine*r der Dreschflegel-Gärtner*innen für eine praxisnahe Beratung erreichbar.
Jetzt finden wir wieder mehr Zeit für Recherchen, Verkaufsanalysen, Zahlungs- und Mahnwesen und für die Buchführung. Bis Ende Juli stehen diese Aufgaben im Vordergrund sowie die Vorbereitung unseres Gruppentreffens: Denn die Koordination der gesamten Dreschflegel-Arbeiten erfolgt durch je ein Treffen im Februar und eines im August. Bei diesen werden gemeinsam Ziele diskutiert und richtungsweisende Entscheidungen im Konsens getroffen. So sind wir Versandis aus dem Orga-Team gleichberechtigt mit den Betriebsleiter*innen der Dreschflegel-Höfe an der Entscheidungsfindung beteiligt und können das Gruppengeschehen mit gestalten - wie schön ist das!
September bis Dezember: Tütendruck, Redaktion & Vorbereitung der nächsten Saison
Im Spätsommer starten bereits die Vorbereitungen für die neue Saison. In der Personalplanung tüfteln wir Schichtpläne aus; zudem läuft der Drucker heiß, um die Saatguttütchen zu bedrucken, die dann zum Abfüllen an die Dreschflegel-Höfe gehen. Ebenso an die Höfe geschickt werden Keimtest-Proben von den noch im Lager vorhandenen Sorten. Diese machen die Keimtests ihrer Sorten selbst und stellen damit sicher, dass alles Saatgut, das wir versenden, auch den vorgegebenen Keimfähigkeiten entspricht.
In dieser Zeit werden auch die ersten Texte für die Saaten & Taten geschrieben (wie beispielsweise dieser hier), und der Herbstversand steht vor der Tür. Hierzu werden Anfang Oktober die herbstspezifischen Saaten (und all der Knoblauch!) versendet, die in den Saaten & Taten mit dem Zusatz "Versand im Oktober" vermerkt sind. Im November und Dezember verschicken wir kein Saatgut, sondern widmen uns der Inventur, dem Jahresabschluss und den letzten Saisonvorbereitungen. Im Herbst arbeitet auch das Redaktionsteam auf Hochtouren, damit die Saaten & Taten Anfang Dezember - rechtzeitig vor der neuen Saison - versandfertig sind.
Neue Herausforderungen durch die Corona-Pandemie
So läuft das eigentlich bei uns - doch die Corona-Pandemie hat auch hier einiges verändert! Es kam zu einem unerwartet heftigen Ansturm durch verstärkt gärtnernde Kund*innen, so dass wir mit dem Bearbeiten der Bestellungen nicht mehr hinterher kamen. Letztlich sahen wir als einzige Möglichkeit, die Anzahl der Shopbestellungen pro Tag zu begrenzen, zeitweise nahmen wir auch keine Bestellungen von Neukund*innen an.
Diese Art von Begrenzungen und Überlastungen waren neu für uns und fühlten sich nicht gut an. Und auch für viele unserer Kund*innen war das sehr ungewohnt und mit Sicherheit an der einen oder anderen Stelle schwer nachvollziehbar. Sind doch Onlineshops dafür bekannt, rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen und nicht nur zu bestimmten (kurzen) Zeiten...
Die Frage nach dem Wachstum
Wie geht es nun weiter? Es zeichnet sich keine einfache Lösung am Horizont ab, während wir uns auf intensive und vielleicht auch unkonventionelle Weise mit dem steigenden Bestellaufkommen befassen. Denn die Frage stellt sich ja: Warum erhöht Dreschflegel nicht einfach das Angebot, wächst (wie andere Unternehmen) mit der Nachfrage und bedient damit den Wunsch vieler Menschen nach Biosaatgut samenfester Sorten?
Hatten die ersten Dreschflegel, die vor über 30 Jahren das Unternehmen gründeten, nicht genau diese Vision: das Bewusstsein für samenfeste Sorten zu stärken und möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, Biosaatgut dieser Sorten in ihren Gärten auszusäen?
Ja, und doch können wir die Frage nach dem Wachstum gar nicht so einfach beantworten! Zum einen lässt unsere alternative Unternehmensstruktur, die auf Selbstorganisation basiert, nur bedingt personelle Sprünge zu. Aktuell entscheiden wir mit knapp dreißig Personen im Konsens. Ein weiterer Zuwachs an Personen würde neue Entscheidungs- und Organisationsstrukturen erfordern - aber eigentlich mögen wir es ganz gerne, so wie es gerade ist! Zum anderen wollen viele Dreschflegel-Höfe weiterhin in einer gärtnerischen und kleinbäuerlichen Struktur arbeiten und nicht wesentlich mehr Ackerland bestellen.
Auch in unserem Versand geraten wir - wie die letzten drei Jahre zeigten - strukturell, personell und räumlich an unsere Grenzen. Doch eine deutliche Erweiterung unseres Orga-Teams würde auch hier die Arbeits- und Entscheidungsstrukturen auf den Kopf stellen. Und sobald mehr als acht bis neun Menschen gleichzeitig zwischen den Saatgutregalen herumsausen und die Briefe und Pakete versandfertig machen, treten wir uns auf die Füße.
Doch wäre es eine Lösung, auf den Wachstumszug aufzuspringen und in ein größeres Gebäude umzuziehen sowie unser Versandteam zu vergrößern? Das würde nur funktionieren, wenn wir auch wesentlich mehr Saatgut anbauen und verkaufen würden. Dafür wiederum bräuchten wir größere Höfe und mehr Menschen, die auf diesen Höfen arbeiten oder neue gründen. Und mit einer deutlichen Vergrößerung der Gruppe müssten wir vermutlich auch unsere freundschaftlichen und selbstorganisierten Strukturen ändern...
Wir sehen dieses "immer mehr" kritisch und stellen uns die Frage: Wann ist es genug? Das allgemeine Wachstumsdogma ist für uns nicht der logische Weg. Im Versand haben wir in vielerlei Hinsicht den Eindruck, jetzt gerade noch eine für uns gute Größe zu haben. Wir arbeiten in schönen Räumlichkeiten und in sehr freundschaftlicher Atmosphäre.
Wir haben als Orga-Team gute Arbeitsbedingungen und können diese auch dem Pack-Team bieten. Wir kochen füreinander Mittagessen und nehmen dieses - sofern die Pandemiebedingungen es zulassen - gemeinsam ein. Wir sind sehr glücklich mit unserem Arbeitsplatz und möchten die vielen schönen kleinen Dinge unseres Alltags nicht "wegoptimieren".
Ausblick mit Erbse
Und so befinden wir uns sowohl im Versand als auch auf den Höfen und als Gesamtgruppe auf dem spannenden Weg, uns entlang unserer Bedürfnisse und unserer angestrebten Ziele weiterzuentwickeln. Denn tatsächlich war die Idee bei Gründung von Dreschflegel nicht, einfach nur möglichst viel Saatgut zu verkaufen - und das ist bis heute so geblieben. Stattdessen ging es immer auch um die politische Dimension und darum, viele Menschen zu ermutigen und zu befähigen, selbst Saatgut in ihren Gärten zu vermehren und auf diese Weise zu Vielfalt und Ernährungssouveränität beizutragen.
So sehr wir uns also über das gesteigerte Interesse am biologischen Gärtnern freuen, so sehr wünschen wir uns, dass dieses Interesse sich verstetigt, Erfahrungen gesammelt werden und die Vermehrung von Saatgut Teil der Gartenpraxis wird.
Wir möchten unsere Kund*innen nicht einfach als Käufer*innen sehen, sondern auch als Verbündete und Mitwirkende in Erhalt und Mehrung der Kulturpflanzenvielfalt. Wir möchten die Neugier wecken an diesem spannenden Kreislauf vom Samenkorn über die wachsende und reifende Pflanze und wieder zum Samenkorn. Wir wünschen uns, dass viele Menschen die Schönheit und Befriedigung der Samengärtnerei erleben und vielleicht sogar eine Lieblingssorte finden, die sie über Jahre hinweg anbauen und vermehren, sie dabei immer besser kennenlernen und vielleicht sogar an die Gegebenheiten im eigenen Garten anpassen möchten.
Eine Pflanzengruppe, für die sich das besonders anbietet, sind die Leguminosen, also die Hülsenfrüchte, wie Gartenbohnen, Puffbohnen und Erbsen. Deren Vielfalt an Farben, Mustern und Formen ist am Saatgut wundervoll zu bestaunen, und zugleich sind sie leicht im Hausgarten zu vermehren. Wer es ausprobieren möchte, findet im anschließenden Artikel, im Literaturteil ab S. 86 sowie beim Dreschflegel e.V. auf S. 108 weiterführende Hinweise und Informationen zu Saatgutseminaren.
In die neue Saison gehen wir mit einer zusätzlichen Abendschicht, die bis 23 Uhr Saatgutpäckchen versandfertig machen wird. Wir hoffen, damit zumindest einen Großteil der Nachfrage bedienen zu können. Wir wünschen ein wundervolles Gartenjahr und freuen uns darauf, viele weitere Jahre gemeinsam die Kulturpflanzenvielfalt zu mehren.
Beitrag aus Saaten & Taten 2017:
Selbstverwaltung bei Dreschflegel (Betriebsportrait, PDF)
Kontakt - Versand:
Dreschflegel GbR
Postfach 1213, 37202 Witzenhausen
(Hausadresse: In der Aue 31, 37213 Witzenhausen)
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